Hi,
ein Kraftstoff mit höherer Klopffestigkeit verbrennt bei sonst identischen Bedingungen etwas ruhiger, weil sich die Flammfront im Zylinder gleichmäßiger ausbreitet. Bei minderwertigerem Kraftstoff kann es passieren, daß parallel zum gewünschten Brennverlauf (entzündet an der Kerze, von da aus breiten wir uns dann annähernd kugelförmig aus und treffen den Kolben möglichst gleichmäßig, ohne ihn durch die Druckwelle zu sehr zu kippen) durch Hitzenester oder Druckspitzen weitere Flammfronten entstehen. Dadurch kippt der Kolben stärker ab (und macht dabei mehr Krach) oder es kann gar zu klopfender (lokal unkontrollierter, explosionsartiger) Verbrennung kommen, was sich an klickernden Geräuschen bemerkbar macht. Auch die sogenannten cycle-by-cycle-Variationen (mir fällt grade kein geeignetes deutsches Wort dafür ein) werden naturgemäß kleiner, wenn die Flammfront sich gleichmäßiger ausbreitet und man mehr Sicherheitsreserve zur Klopfgrenze hat - deswegen steht der Drehzahlmesser mit höherer Oktanzahl ruhiger.
Meistens verbrennen höherwertige Kraftstoffe allerdings auch etwas langsamer als "normales" Benzin, womit sich der "Vorteil" der ruhigeren Verbrennung zumindest in hohen Drehzahlen bei unveränderer Zündeinstellung gar zum Nachteil umkehren kann! (wobei kaum ein Serienauto diese Drehzahlen erreicht)
Eine Zünd-/Einspritzanlage mit Klopfsensor regelt in gewissen Grenzen nach, um Unterschiede in der Kraftstoffqualität auszugleichen. Das hat allerdings hauptsächlich die Vermeidung von Schäden zum Ziel und dient weniger der Leistungs- oder Drehmomentsteigerung.
Die Unterschiede im möglichen Zündwinkel können gerade im Teillastbereich bei niedrigen Drehzahlen gravierend sein. Mein leicht überarbeiteter 1.1er verträgt mit E85 (mehr oder weniger Normalbenzin mit 85% Alkohol vermischt, hat je nach Messverfahren 104...110 Oktan) in manchen Gegenden fast 15° mehr Vorzündung als mit Benzin oder E10. Bei den aktuellen Benzinpreisen (5 Cent über dem Suff - von dem braucht man aber im Mittel 20-30% mehr, wel der Heizwert niedriger ist) fahre ich zwar mit Benzin herum, aber dafür fehlt dann auch eine ganze Ecke Drehmoment. Interessanterweise braucht E85 bei ganz hohen Drehzahlen sogar weniger Vorzündung als Benzin - aber das liegt an den Eigenheiten des Alkohols und lässt sich so nicht auf Super+ übertragen. (der sich bezüglich der Durchbrenngeschwindigkeit auch stark zwischen den Herstellern unterscheidet - Aral z.B. funktioniert prima in dicken deutschen Autos, aber eher schlecht in hochdrehenden Motoren - Shell und Total hingegen laufen da sehr gut)
Nachtrag:
Der Zusammenhang zwischen benötigtem Oktanwert bei gegebenem Verdichtungsverhältnis ist übrigens nicht ganz so einfach. Da spielen mindestens folgende Faktoren mit rein:
- die aktuelle Motordrehzahl
- Brennraumform und Qualität der Oberflächen
- Position und Art der Zündkerze (bei 4-Ventilern sitzt die Kerze meistens mittig - das geht mit 2 Ventilen nicht, drum gab es da auch Motoren mit 2 Zündkerzen)
- Temperatur von Kolben, Ventilen (das Auslassventil leuchtet im Betrieb auch gerne mal rot oder bei falscher Zündeinstellung auch weiß) und in geringerem Maße auch des Brennraums
- Strömungsgeschwindigkeit und Quetschung des Gemischs (fragt mal google nach squish & squirl)
- Schichtladung (spielt hier eher keine Rolle - das ist den Direkteinspritzern vorbehalten, die funktionieren im hinteren Teil des Brennverlaufs fast wie ein Diesel)
- Temperatur des angesaugten Gemischs (bei Lambda=1 kühlt Benzin den Luftstrom beim Verdampfen um etwa 10K herunter, bei purem Ethanol sind es 110K! - und mich fragen immer wieder Leute im Fahrerlager, warum mein Angsaugtrichter direkt nach dem Lauf außen weiß ist
)
- der Füllungsgrad (abhängig von Ansaugtrakt, Nockenprofil, ...) - der bestimmt ja letztendlich den Druck vor dem Verdichten
Unterm Strich behaupte ich, daß man so einen 2-Ventil-TU bei gewissenhafter Arbeit bis etwa 11,5 mit Super bzw. 95 Oktan fahren kann. Zumindest rollt mein Ofen so herum und klingelt damit weniger als mancher Serien-1.1er mit Bosch- oder Magneti-Marelli-Steuerung bei 9,3. (ich war damals leider etwas vorsichtig und habe nur 1,7mm abgehobelt, obwohl noch fast ein halber mm Platz zu den Ventilsitzen war) Mit 4 oder 5 Ventilen und etwas Hirnschmalz fuhr so manches japanische Großserienmotorrad schon vor 20 Jahren mit Verdichtungswerten von 12...14 herum - mittlerweile sieht man das auch in modernen Autos...
Gruß, Mario